INNEHALTEN – 99 Stühle zum Reichspogromgedenktag am 9. November 2023

Wir luden die Cottbuserinnen und Cottbuser auf den Platz am Stadtbrunnen ein, um an diesem Tag über die Ereignisse vor 85 Jahren nachzudenken. 99 Stühle stehen für 99 Schicksale von Cottbuserinnen und Cottbusern vor allem mit jüdischen Wurzeln, die der Mordmaschinerie der Nazis in den folgenden Jahren zum Opfer fielen. Zilla Fuks war da gerade 10 Monate auf der Welt, Johanna Blankenstein 92 Jahre. Nur wenige entkamen der Verfolgung.

Am Nachmittag zeigte die TANZwerkstatt Golde Grunske in ihrer bewegenden Performance INNEHALTEN anlässlich des Pogromgedenkens eindrücklich Gefühle von Gemeinsamkeit, Fremdheit, Einsamkeit, Ablehnung aber auch Hinwendung zu denen, die am Boden liegen.

Wir danken unserer Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe für ihre treffenden Worte, die den Bogen vom 9. November 1938 bis zu den schrecklichen Ereignissen am 7. Oktober 2023 spannte: 

Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe: „Wir nehmen uns nicht aus der Verantwortung. Weder für das, was aus der Geschichte erwächst noch für das, was die Gegenwart von uns fordert. Die Opfer sind nicht vergessen. Sie haben in unserer Stadt durch 99 Stolpersteine einen Namen und heute und jeden Tag nicht nur durch diese Stühle einen Platz in unserer Mitte. Und am heutigen Tag erweitern wir gedanklich die Stuhlreihen um jene, die noch immer von Terroristen im Gazastreifen unschuldig als Geiseln gefangen gehalten werden. Sie müssen bedingungslos freigelassen werden und dürfen nicht als menschliches Schutzschild missbraucht werden. Wir brauchen hier bei uns immer wieder Aufklärung. Aufklärung antisemitischer Straftaten durch Polizei und Justiz, Aufklärung darüber, was durch die freie Meinungsäußerung – das hohe Gut der Demokratie – noch gedeckt ist und wo vermeintliche Meinung zur Straftat wird. Aufklärung aber vor allem in der Bildung, in den Schulen, Aufklärung durch Vorbilder in den Elternhäusern, in den Familien, am Arbeitsplatz, in Vereinen und Institutionen, auch durch Kunst und Kultur. Lassen Sie uns nicht nur heute Anteil nehmen. Unsere Anteilnahme gilt den Opfern von Krieg und Gewalt. Unser Beistand all jenen, die den Frieden verteidigen, die die Freiheit und die Würde eines jeden Menschen verteidigen. Wenn es nicht anders geht, auch mit Waffengewalt. Deshalb gilt unsere Solidarität dem Land der Juden Israel und der unschuldigen Zivilgesellschaft. Dauerhaft wirksame Waffen sind Friedfertigkeit, Ausgleich und Verständigung. Das bleibt auch an einem Tag wie dem heutigen die Herausforderung für die Welt.“
(Pressetext Stadt
Cottbus/Chóśebuz)

 

Fotos: W. Wiehe