Rede von Michael von Bronk zur Toleranzpreisverleihung

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Welt scheint sich mit zunehmender Geschwindigkeit zu verändern. Die Einigkeit Europas wird durch die Eurokrise und durch opportunistische Haltungen gegenüber Grundwerten, wie der Solidarität und der Aufnahme von Hilfsbedürftigen, auf die Probe gestellt.

Der Kernwert moderner Staaten schlechthin, die Demokratie, scheint zunehmend in Frage gestellt zu werden. Mitgliedsstaaten der EU wie Ungarn setzen sie faktisch außer Kraft. Staaten wie die Türkei schaffen sie langsam ab und in unserer Gesellschaft erstarken Kräfte, die unsere verfassungsrechtliche Grundordnung in Frage zu stellen.

Ich werde an dieser Stelle Ihre und meine Zeit nicht mit der Frage vergeuden, ob diese Menschen überhaupt wissen, was sie da tun oder sich nicht doch eher wie Dreijährige benehmen, die unter der Bettdecke ausprobieren wollen, wie Streichhölzer funktionieren!

Liebe Gäste,

was mir heute die größten Sorgen macht, ist, dass diskriminierendes und intolerantes Gedankengut zunehmend als salonfähig betrachtet wird. Ich verfolge Diskussionen in Restaurants, Cafes, am Arbeitsplatz.

Und ich höre Menschen, die davon sprechen, dass die Fremden nun mal nicht in unseren Kulturkreis passen, dass wir an der Grenze unserer Belastbarkeit sind und dass sich in der Welt nichts ändert, wenn wir hier alle aufnehmen. Ganz im Gegenteil „dann strengen die sich ja gar nicht mehr an, um in ihrem Land wieder Frieden und Wohlstand zu schaffen“.

Ich sehe Kopfnicken, ich höre Zustimmung und immer eine Person, die noch eine Story obendrauf setzen kann.

Erstaunlich für mich ist dabei, dass es sich dabei um Menschen handelt, die noch vor wenigen Monaten ganz anders gesprochen haben. Menschen, die Hilfsbereitschaft und Zuversicht gezeigt haben, was die Integration der Hilfesuchenden betrifft.

Und so bekomme ich zunehmend den Eindruck, dass die Mitte der Gesellschaft erschöpft zu sein scheint. Zu erschöpft um sich für die wahren Grundwerte unserer Gesellschaft, nämlich

  • Demokratie,
  • Gewaltenteilung,
  • Gleichberechtigung,
  • Meinungsfreiheit,
  • Toleranz,
  • Solidarität und
  • Nächstenliebe

einzusetzen und sie auch in unbequemen Diskussionen zu verteidigen.

Diese Werte sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammen hält und die Garanten für den Wohlstand in unserem Land. Und ich befürchte, dass unsere Gesellschaft vergessen hat, dass man Stabilität nicht umsonst bekommt.

Ich befürchte, dass wir uns alle so sehr an den Wohlstand gewöhnt haben, dass wir die Grundwerte, die uns verbinden als selbstverständlich betrachten und bisweilen die Punkte ausblenden, die den bequemen Alltag stören könnten.

Tatsächlich ist unsere Gesellschaftsform auf die ausgeprägte Balance ihrer Grundwerte angewiesen und reagiert damit auch sehr empfindlich auf Veränderungen der Gewichtungen.

Das ist der Grund weshalb wir gerade dann,

  • wenn wir das Gefühl haben, müde zu sein von den furchtbaren Dingen, die wir täglich in den Nachrichten sehen,
  • wenn wir davor Angst haben, ob wir all die Herausforderungen stemmen können,
  • wenn es uns nicht besonders hip zu sein scheint, zur Nächstenliebe zu stehen und sie zu praktizieren,

dass wir uns gerade in diesen Momenten klar machen, dass unsere Kultur davon lebt, dass wir sie täglich pflegen und gegen unsere eigene Schwäche verteidigen müssen.

Es muss uns klar sein, dass wir der Welt ein Zeichen setzen können, wenn wir insbesondere in schwierigen Zeiten zueinander und zur Demokratie, Respekt und Toleranz stehen.

Albert Schweitzer hat es ganz gut auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass die, die zum Glück der Welt beitragen möchten, zunächst einmal für eine glückliche Atmosphäre im eigenen Haus sorgen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu den Herbergseltern, die im Hause Cottbus für eine glückliche Atmosphäre sorgen, gehören auch Sie, die sich aktiv im Cottbuser Aufbruch einbringen und mit Ihren Beiträgen für den diesjährigen Toleranzpreis, für Demokratie und Weltoffenheit in Cottbus einstehen. Das sind Sie, die in die Stadt und die Region die klare Botschaft rufen: Cottbus steht für Respekt und Toleranz!

Dafür gebührt Ihnen meine höchste Anerkennung und wie ich finde ein großer Applaus!

Liebe Gäste,

Frau Dr. Münch wird nun hoffentlich zustimmend nicken, wenn ich sage, dass Intoleranz aus medizinischer Sicht die mangelnde Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen schädigende äußere Einwirkungen, wie etwa Gifte, beschreibt.

Der Organismus, dass ist unsere Gesellschaft mit ihrem feinen und empfindlichen Wertesystem. Dass Gift der heutigen Tage ist die süße Leichtigkeit populistischer Parolen, die uns den Eindruck vermitteln, je mehr ich mit dem Finger auf den anderen zeige, desto sicherer ist mein Platz auf dem Wohlstandssofa, von dem ich mich am liebsten auch gar nicht weg bewegen will.

Toleranz aber ist der Schlüssel, der unseren Organismus widerstandsfähig macht und damit auch unseren Wohlstand, die Rechtstaatlichkeit und die Demokratie sichert.

Und nicht anderes, als das was für den eigenen Körper wichtig ist, gilt auch hier. Ich muss für die Widerstandsfähigkeit etwas tun. Ich muss mich bewegen, geistig und wenn es erforderlich wird auch physisch, um sich denen in den Weg zu stellen, die unseren Organismus vergiften wollen.

Sie liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Toleranzpreis 2016,

haben über Ihre Projekte einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, unseren Organismus gesund und widerstandsfähig zu halten! Unabhängig davon, ob Sie heute zu den Preisträgern gehören oder nicht.

Um noch einmal mit Albert Schweitzers Worten zu sprechen: „Wo Licht im Menschen ist, scheint es aus ihm heraus.“

Lassen Sie uns daher alle den Mut haben, dieses Licht scheinen zu lassen. Lassen Sie uns gemeinsam weiterhin dafür sorgen, dass Cottbus als eine helle und offene Stadt gesehen werden kann, die für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit steht.

Glück Auf!